Die Freude der ganzen Erde

Eine ikonografische Spurensuche

 

Der Titel «Die Freude der ganzen Erde» erschließt sich dem Leser erst allmählich, denn – oberflächlich betrachtet – drehen sich die 18 Bildbetrachtungen dieser „ikonografischen Spuren­­suche“ um ein meist dunkles und düsteres Kapitel der europäischen Geschichte, dem Verhältnis zwischen Juden und Christen und wie sich dieses in der Ikonografie widerspiegelt.

Der Autor nimmt den Leser mit auf eine lange Reise und führt ihn zu Geheimnissen ganz eigener Art: zu bildlichen Darstellungen, die alle das – bis heute – nicht gelöste Zusam­men von Juden und Christen behandeln. Die Tour geht quer zu den Zeiten und Gegenden, in denen sie spielen, von der Spätantike bis ins Heute und von Konstantinopel bis Los Angeles. Von Highlights bis zu unbekannten Relikten der Kunst­geschichte, verborgen in musealen Kabinetten und Schatzkammern.

Da treffen zum Vergleich verschiedene Objekte im Buch aufeinander, die sich im wirklichen Leben nie begegnet waren und legen sich nun gegenseitig aus. Oder Einzelwerke müssen sich Fragen stellen lassen, auf die sie bisher nicht gefasst waren, um so neue Seiten offenzu­legen. In einer Sprache, die weitgehend den Fachjargon meidet und somit alle an­spricht: den Spezialisten wie den Laien. Und dort, wo ein Spezialausdruck unvermeidlich war, wurde er im Text bzw. in einer Fußnote erläutert. Apropos Fußnoten: Sie sind hier nicht – wie vielfach üblich – nur wissenschaftliche Schubladen, sondern in ihnen verbergen sich meist ungeahnte Überlegungen zum Weiterdenken.

Dem Text sind insgesamt 134 Abbildungen beigestellt, wodurch das Lesen auch zu einer Augenweide wird. Das großformatige Buch sowie das gelungene Layout von Oliver Buchmüller er­höhen diesen Hingucker.

Weder bilden Text und Bild ein zusammenhängendes Lexikon, noch geben sie einen Gesamt­überblick o.ä. Sie werfen lediglich Schlaglichter, in deren Schein einzelne Momente dieser tragischen jüdisch-christlichen Thematik aufleuchten: Momente der Trennung, der Verachtung, ja des Hasses, aber auch der gegenseitigen Hochachtung und zum dennoch nicht Zueinanderfinden-könnens. Dem aufmerksamen Leser entsteht so – gleichsam im unfertigen Puzzle – ein neues Bild tieferer Zusammengehörigkeit.

Im Kern entstammen die 18 Bildbetrachtungen der Mitarbeit des Autors am Fern­studium des Lehr­stuhls «Theologia del Popolo di Dio» an der Lateran-Universität in Rom, nehmen aber auch Bezug zu aktuellen Ereignissen.

Wer diesen leidvollen Weg mitgeht und die ausgeleuchtete Übereinstimmung zwi­schen Wort und Bild wahrnimmt, wird begreifen, inwieweit der Titel «Die Freude der ganzen Erde» angemessen ist und auf wen oder was er sich bezieht.

 

Autor

Bruno Alber

Bruno Alber

Geboren: 25. August 1944 in Ried in Innkreis (Oberösterreich).

Ausbildung zum Kunsterzieher für Gymnasien an der Kunstakademie München mit begleitendem Studium der Kunstgeschichte von 1963 – 1968.

43 Jahre Unterricht an verschiedenen Gymnasien, Vorträge und Veröffentlichungen.

Nach der Pensionierung 2011: 10 Jahre Mitarbeit als kunstgeschichtlicher Berater am Fern­studium des Lehrstuhls „Teologia del Popolo di Dio“ an der Lateran-Universität in Rom.

 

 

Blick ins Buch

 

Rezension von Gerhard Lohfink:

Bruno Alber ist ein bekannter und erfahrener Kunsterzieher. Ihm ist mit diesem Buch ein bemerkenswerter Beitrag zum Thema „Antijudaismus” gelungen. Also zu einem Thema, das in unseren Tagen neue und erschreckende Aktualität gewinnt. 

Selbstverständlich hat der Antijudaismus viele Seiten. Eine von ihnen darf niemals verschwiegen werden: Der Antijudaismus war jahrhundertelang eine der tiefsten Wunden am Leib der Kirche – eine Wunde, die trotz der Kehrtwende des 2. Vatikanischen Konzils noch längst nicht geheilt ist. 

Bruno Alber diagnostiziert anhand glänzend gewählter Beispiele der Kunstgeschichte die Tiefendimension dieser Krankheit. Vielfach unbekannte Einsichten und Bildwelten entfalten sich in 18 „Betrachtungen“ vor den Augen der Leser. Sie führen von allgemein zugänglichen Objekten bis zu verborgenen Kostbarkeiten der Buchkunst, die noch im Dunkel der Bibliotheken schlummern. Dieser Autor weiß, „dass sich uns die abendländische Bildwelt ohne Theologie niemals erschließen wird. Sie bleibt dann ein rein ästhetischer Raum.“

Die Bilder dieses Buches haben mir eine neue Welt erschlossen. Aber ich muss genauer sein — die Bilder des Buches zusammen mit ihrer kunstästhetischen und zugleich theologischen Erschließung durch Bruno Alber. Wenn man dieses Meisterwerk liest, macht man erschreckende und beglückende Erfahrungen: Ein bewegendes Stück abendländischer Geschichte öffnet sich vor unseren Augen.

Prof. Dr. Gerhard Lohfink
12. November 2023